Beginn der Guaifenesintherapie: 1. März 2009
Interessant ist, dass man die Situation vor Guaifenesin, erst nach Guaifenesin beurteilen kann. Mit jeder kleinen Verbesserung der Energie, egal ob psychisch oder physisch, kann man die Unterschiede in Worte kleiden. Durch die Menge der Symptome unfähig selber festzustellen, warum es einem nicht gut geht, ist es nahezu unmöglich, die Lebensituation dem behandelnden Arzt / der Familie oder dem Umfeld mitzuteilen oder in Worte zu kleiden.
Dies ist deprimierend und man fühlt sich ohnmächtig, unverstanden, hilflos. Gefangen in einem Kreislauf, den ich erst nach Guaifenesin zu durchbrechen vermochte.
Erschöpfung, die im Laufe des Tages zunimmt / allgemeines Befinden
vor Guaifenesin
Energie sehr eingeschränkt. Der Begriff schlechte und schlechtere Tage ist eine sehr gute Beschreibung. Den Haushalt konnte ich in den frühen Morgenstunden bewältigen, jedoch ging ab mittags die Energie schnell in den Keller. Rückblickend fällt mir auf, dass jeglicher Stress, verursacht durch die Schule der Kinder, das Geschäft meines Mannes, häufige Termine oder ähnliches bei mir bewirkten, dass ich buchstäblich die Zähne zusammenbiss, um durchzuhalten.
Erklärend möchte ich sagen, das was mir Stress bereitete, für gesunde Personen lächerlich einfach zu bewältigen ist. Ab nachmittags, ca. 15.00 Uhr lag ich während meiner schlimmsten Zeiten auf der Couch, da die Schmerzen und die seelische Überforderung für mich nur noch auszuhalten waren, indem ich mich zurückzog. Heute weiß ich, dass die seelische Erschöpfung eine Folge der körperlichen Erschöpfung war.
Abgesehen von den medizinischen Erklärungen, die Dr. Amand ansetzt, macht auch eine Studie von Dr. Arnold Peckerman für mich Sinn, die nachweist, dass das Herzminutenvolumen in Litern bei CFS Patienten geringer ist und Erschöpfung verursacht. Zitat: Bei gesunden Menschen liegt das Herzminutenvolumen bei 7 Litern in liegender und 5 Litern in stehender Position. Bei CFS Patienten liegt das Volumen bei 5 Litern in liegender und 3,5 Litern in stehender Position. Dies erklärt, warum CFS Patienten sich sehr viel besser fühlen, wenn sie liegen.
Alle anfallenden Termine nach 15.00 Uhr oder abends Freude treffen war ein unüberwindbares Hindernis. Auch das Wochenende konnte ich nicht zu Aktivitäten nutzen, da mir die Kraft dafür fehlte. Da meine Kinder jetzt 15 und 14 Jahre alt sind und meine Krankheit verstehen, ist es sehr viel einfacher geworden. Als sie noch sehr klein waren und plötzlich und auf der Stelle alle Aufmerksamkeit verlangten, bin ich zeitweise durch die Hölle gegangen, um ihnen gerecht werden zu können.
Es gab Tage, da wollte ich nur noch schreien vor psychischem und körperlichem Schmerz. In dieser Zeit bin ich weit über meine Kräfte gegangen, hatte unendliches Bedürfnis nach Schlaf und Erholung. Ich hatte das große Glück, dass meine Mutter die Kinder seit Babyalter jeden Freitag auf Samstag zu sich genommen hat. In der Zeit wollte ich nur Ruhe, Ruhe und nochmal Ruhe. Nicht reden, nicht berührt werden, nichts unternehmen, nichts denken. Baden, Schlafanzug, Couch, Decke drüber.
2005 ging es mir seelisch so schlecht, dass ich meinen Hausarzt, der die Fibromyalgie auch diagnostiziert hatte, bat mir ein Antidepressivum zu verschreiben. Aufgrund der Studien, dass manche Antidepressiva in 50 % der Fälle auch bei Fibromyalgie helfen, gab mir Hoffnung. Und tatsächlich verschob sich meine Couchzeit von 15.00 Uhr auf 18.00 Uhr. Es war für mich ein Gewinn von mehreren Stunden Energie und weniger Schmerzen, was zur Folge hatte, dass auch die Depressionen gingen. Ein Gewinn war in der Situation für mich, dass mein Arzt mir sagte, dass ich keine klinischen Depressionen hätte, sondern Fibromyalgie, was zu Depressionen führt.
Das Verständnis um die Sache half mir enorm. Im Februar 2006 begann ich eine Halbtagsstelle mit 20 Stunden / Woche. Mein Mann unterstützt mich im Haushalt und übernahm das Kochen. Der Großputz wurde aufs Wochenende verlegt. Die Kinder packen auch mit an.
Mai 2009 :
Meine Energie hat sich schon wesentlich gesteigert. Es gibt jetzt Tage, wo ich nach der Arbeit meine Wohnung putze, im Forum aktiv bin und mich am frühen Abend frage, was ich sonst noch anstellen könnte. An diesen Tagen erkenne ich, wie ein gesunder Mensch sich fühlen muss. Die Arbeit geht einem leicht von der Hand, es sind keine Berge, die sich aufbauen und deren Anblick alleine einen schon überfordern, man fühlt sich wie eine Feder. Als wäre eine Last aus dem Körper verschwunden, die einen ununterbrochen gebremst hat, obwohl man auf voller Kraft fährt. An diesen Tagen geht es mir mental und körperlich sehr gut.
Dann gibt es Tage, an denen ich mich mental wohl fühle, aber körperlich nicht in der Lage bin, mich zu belasten. Man möchte in die Stadt gehen, Fahrrad fahren, Spazieren gehen, am Leben teilnehmen, doch der Körper spielt nicht mit. Die Muskeln sind steif, Treppensteigen wird zur Gipfelersteigung, das Gehverhalten gleicht einem betagten Menschen. Die schlimmsten Tage sind die, wo es mir mental und körperlich nicht gut geht. Man sieht, dass die Waschmaschine zwar von der Tochter ausgeräumt wurde, aber noch eingeschaltet ist. Und obwohl es nur ein Handgriff wäre, den Knopf zu drücken, bin ich damit überfordert und schleppt mich zurück auf die Couch.
Telefonate, Gespräche, Anliegen der Kinder, des Mannes, sind nicht möglich. Es ist, als erreicht mich die Botschaft zwar, bleibt vor mir stehen, aber ich kann und will sie nicht verarbeiten und mich damit auseinander setzen. Seit uns durch das Buch von Dr. Amand die Ursache der Krankheit und deren Auswirkungen erklärt wurde und sich das Verständnis dafür einstellte, können wir mit der gegebenen Situation umgehen und tagesformentsprechend reagieren.
Die sich vermehrenden guten Tage werden genossen, an den schlechten Tagen ist Mama nicht belastbar und benötigt mehr Ruhe und mehr helfende Hände … Spülmaschinen werden ausgeräumt, mein Sohn (14) hat den Umgang mit einem Wischmopp erlernt und übernimmt die Hausordnung, die Tochter putzt im Wechsel mit mir das Badezimmer, der Mann kocht, Wäsche wird auf- und abgehangen … die Familie ist näher zusammen gerückt.
September 2009
Ich komme grade aus dem Urlaub und habe die Fahrt sitzend überstanden, ohne dass ich Schmerzmittel benötigt hätte. Die Hinfahrt haben wir auf 2 Etappen à 9 Stunden bewältigt. Die Rückfahrt in einem Stück in 17 Stunden. Dies wäre vor Guaifenesin undenkbar gewesen. 2006 sind wir auf 3 Etappen gefahren à ca. 6 – 7 Stunden. Nach 7 Stunden hatte ich solche Schmerzen, dass ich nicht mehr in der Lage war, weiter zu fahren. Wenn ich die Grenze der Belastbarkeit überschreite, ist der erste Schritt, dass ich die Zähne zusammen beiße, der zweite Schritt dann, dass meine Laune kippt und ich aus Überforderung genervt reagiere.
2007 / 2008 habe ich die Fahrten (jeweils mit 1 Übernachtung) in liegendem Zustand auf der Rückbank hinter mich gebracht und die meiste Zeit geschlafen oder gedöst. Rückblickend fällt mir auf, dass ich vor Guaifenesin bei Autofahrten, die 4 Stunden überschritten, grundsätzlich starke Schmerzen hatte und mindestens 2 – 3 Tage danach benötigte, um mich zu erholen. Schon im Mai fiel mir auf, dass ich Fahrten, die ich nicht selber bewältigen musste, jedoch 4 Stunden überschritten, sehr viel besser überstanden habe. Durch das lange Sitzen war ich zwar anfangs steif, jedoch stellten sich die starken Rücken- und Nackenkopfschmerzen nicht mehr ein und die Erholungsphase verkürzte sich sehr stark.