Schonhaltung und Schmerz (Autor Rebecca Rotenberg, MD)
Schmerz ist ein kompliziertes Empfinden. Egal ob chronisch oder akut, es beeinträchtigt in enormer Weise die Leistungsfähigkeit, die Stimmung und sogar die Gesundheit. Schmerz ist ein sehr komplexer Reiz, welcher beides enthält, eine physikalische als auch psychische Komponente. Die Verbindung zwischen Körper und Geist ist weiterhin ein großes Mysterium und wie sich dieses auf den Schmerz auswirkt, wird bis heute noch nicht voll verstanden.
Man kann fast immer anhand der Körpersprache erkennen, wenn jemand unter Schmerzen leidet. Für die meisten Menschen ist die erste Reaktion bei starkem Schmerz „ sich einigeln“ oder „sich vor Schmerzen krümmen“. Beides wird als „unterwürfige Haltung“ betrachtet. Bei Kopfschmerz würde man am liebsten den Kopf in die Hände legen. Eine Verletzung oder eine wunde Stelle verleitet einen dazu, sich zu Bücken um zu Kratzen, Jucken oder sonstiges.
Unsere Reaktion auf Schmerz verändert unsere Haltung, aber kann unsere Haltung auch unsere Reaktion auf den Schmerz beeinflussen?
Eine kürzlich durchgeführte Studie weist darauf hin, dass sie es kann und tut. Eine gebückte Körperhaltung und eine unterwürfige Geste können tatsächlich den Schmerz reduzieren und somit das Empfinden der Stärke runterfahren. Das wiederum kreiert einen Effekt der Rückmeldung (mehr Schmerz führt zu verstärkter Schonhaltung, was wiederum zur Verstärkung des Schmerzes führt usw.). Dieses kann den Schmerz erheblich intensivieren. Umgekehrt kann eine aufrechte Körperhaltung, so wie aufrechtes Sitzen oder das Herausstrecken des Brustkorbes ein bemerkenswertes Erhöhen der Schmerztoleranzgrenze und somit ein weniger Beachten des Schmerzes zur Folge haben.
Die Gründe, warum das so ist, sind unklar, aber Forscher legen hier ihr Augenmerk auf eine interessante Hypothese. Je mehr man eine dominantere Körperhaltung annimmt, umso mehr hat man das Gefühl, den Schmerz im Griff zu haben und somit kontrollieren zu können. Die Redewendung: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, kommt uns in den Sinn und scheint einen Weg zu weisen.
Wenn wir an eine dominante Körperhaltung denken, denken wir an das Tierreich. Typischerweise nimmt nur das Alphatier einer Herde diese Haltung ein. Der Hintergedanke, der sich uns dabei aufdrängt ist, dass das Alphatier Stärke und Resistenz darstellen muss. Dennoch haben andere Untersuchungen gezeigt, dass die Verbindung zwischen demonstrierter und tatsächlicher Macht auf beide Arten wirken könnte. Bei einigen Tieren, die eine Alphahaltung einnahmen, obwohl sie kein Alphatier darstellten, waren hormonelle Veränderungen für diese verantwortlich. In diesem Zusammenhang wurden eine verminderte Cortisolproduktion (Stresshormon), ein Testosteronanstieg (Anstieg der Schmerztoleranzgrenze) und eine dementsprechende Linderung des Schmerzumfanges wahrgenommen.
Was diese Studie aussagen soll ist, dass, wenn man, dem Schmerz zum Trotz eine grundfeste, zuversichtliche und dominante Körperhaltung einnehmen kann, man die Schmerztoleranzgrenze heraufsetzen und die Schmerzwahrnehmung beeinflussen kann.
Dieser Effekt tritt auch dann auf, wenn man nur meint, eine dominante Haltung ein zu nehmen, auch wenn man sich selber nicht als dominant oder kontrolliert einschätzt. Für diejenigen, die allergisch auf Schmerzmittel, kann diese Technik helfen, den Schmerz ohne Nebenwirkungen zu reduzieren. Auch wenn man nicht unter Allergien leidet, kann es ebenfalls zur Schmerzlinderung beitragen. Das alte Sprichwort „Probieren geht über Studieren“ erhält hier eine ganz neue Bedeutung.
(Anm: Dr. Rotenberg ist die Gründerin des Blogs: http://localhost/www.drrebecca.com, unterstützt von Mr. Malcolm Potter. Man findet sie auch in Facebook und Twitter)
Ausgabe Juli-August 2011