2. Leseprobe aus dem Buch " Fluch der Kindheit"
Da es mir sehr schwer fällt, auf den Bericht von Hexe näher einzugehen, der sich mit der Schuldhaftigkeit beim Misbrauch beschäftigt, hierzu stattdessen eine Lesprobe:
........... Mit diesem und einigen anderen heiteren Liedern empfingen Schulchor, Bürgermeister und weitere wichtige Persönlichkeiten das Prinzenpaar, als diese auf dem fünf Kilometer entfernten Bahnhof einem alten, klapprigen Bummelzug entstiegen. Seine Majestät geleitete die Prinzessin in eine prunktvolle Kutsche. Ein Schnalzen des Kutschers, und die festlich Empfangenen verschwanden den Blicken des Empfangskommitees. Dieses trollte sich auf Schusters Rappen eilends den Davonrollenden hinterdrein, wissend, dass diese von den euphorisch erregten Dörflern voller Ungeduld erwartet wurden. Bei ihrem Erscheinen würde sich der Rosenmontagsumzug in Bewegung setzen. Das mit viel Phantasie geschmückte Dorf, die teilnehmenden Fahrzeuge und natürlich alle Kostümierten würden dabei von einer Jury bewertet werden. Mit Spannung wurde die sich anschließende Preisverleihung erwartet. Trubel herrschte in diesen Tagen in dem kleinen Dörfchen, der sich weit über die Kreisgrenzen verbreitete. Im folgenden Jahr konnte der kleine Ort die vielen neugierigen Gäste gar nicht beherbergen. Doch ein Jahr später wurden sämtliche Veranstaltungen aus Gründen der Westpropaganda vom Staat verboten. Während Mutter, Vater und Tochter riesigen Spaß bei den verschiedensten Veranstaltungen in ihrem neuen Heimatort hatten, amüsierte sich der Bruder bei einem durch die Schüler der zwölften Klasse organisierten Schulkarneval. Wie es sich später zeigte, konnte er bei diesen Vergnügungen so viel " lernen", das wenige Wochen nach dem Trubel die Anwendung seiner " neuen Erfahrungen" bei der Schwester ausprobiert wurden. Infolge Kohlenmangels erhielten die Schulen im Bezirk die amtliche Weisung, den Unterricht verkürzt durchzuführen. So konnte der Bruder eines Tages schon einen früheren Abfahrtstermin für die Rückfahrt nutzen. Die Mutter war kurz nach dem Mittagessen zu einer guten Bekannten aufgebrochen, um sich bei einem leider viel zu selten stattfindenden Kaffeekränzchen zu erfreuen. Sie verabschiedete sich von der Tochter und ermahnte sie:" Achte auf den Kachelofen! Ich habe eben noch einmal etwas aufgelegt. Du brauchst ihn, wenn die Kohlen völlig rot glühend sind, nur zuzuschrauben. Aber auf keinen Fall früher, nicht dass er wieder zu wackeln beginnt und doch noch explodiert! Immer werden wir nicht so gut davonkommen wie beim letzten zu frühen Schließen!" Kaum war die Frau aus dem Haus, stürzte der Sohn - lauthals " Hunger, ich habe gewaltigen Hunger" schreiend - in das Wohnzimmer. Als er nur die kleine Schwester antraf, war die Enttäuschung seinem Gesicht abzulesen. Doch als Judith erklärte, wo die Mutter sei und dass sie erst kurz vor des Vaters Heimkehr zurückkäme, flog ein hämisches Grinsen über sein Gesicht. Genüsslich verzehrte er den Rest des aufgehobenen Mittagbrotes. Dann trat der Bursche zu seiner kleinen Schwester und fragte:" Du hast mich doch lieb, ja?" Auf das verwunderte Nicken der Kleinen fuhr er fort:" Ich werde dir heute mal zeigen, wie wir uns beim Karneval lieb gehabt haben." " Ja, das war sicher sehr lustig!" " Dann setze dich mal auf meinen Schoß!" Dabei setzte er sich auf einen Stuhl und und zog die neugierige Judith zu sich." So, zuerst musst du die Arme um meinen Hals legen und mit mir schmusen, wie du das früher immer mit Mutti gemacht hast." Das Kind rieb seine Wange an der des Jungen. " Und jetzt werde ich dich überall ganz vorsichtig kitzeln, aber ganz stillhalten, nicht bewegen!" Der Bruder ließ seine Hand über verschiedene Körperteile gleiten. Ab und an hörte man ein unterdrücktes Kichern und Jickeln, aber dennoch war kaum eine Bewegung des Körpers zu spüren. Die kalte, feuchte Hand streichelte sanft den Rücken, den Bauch und kroch nun in den kleinen Mädchenslip, jetzt die Schenkel streichelnd. Erschrocken wollte Judith fliehen, doch mit eisernen Händen hielt sie der Bruder fest." Sitz still!", unterbrach er ihre plötzliche Abwehr. Immer und immer wieder zog er seine Hand sanft über und nun auch zwischen die Beine. Das Kind saß so bewegungslos vor ihm, dass ihm dies wohl eigenartig erschien:"Nun, und wie gefällt dir das?" " Es ist komisch." „ Dann pass auf, gleich wird es richtig schön." Eine eigenartige, dem Kind unerklärliche Lust ließ es auch weiterhin still verharren. Nun rieb er den kleinen Buckel intensiver, so wie die Schülerin der elften Klasse es ihm in der Scheune neben der Schule gelehrt hatte. Und die große Schülerin hatte Recht, als sie behauptete, dieses gefalle jedem Mädchen. Die kleine Scham wurde dicker, fester und sogar ein wenig feucht, bis das Kind, völlig unwissend, was da mit ihm geschah, ein starkes Kribbeln durch den Schoß strömen fühlte. Völlig benommen, wie nicht mehr von dieser Welt stand das Mädchen wenig später neben dem Bruder. Unbewusst strich es sich das Kleidchen glatt, strich sich über das schöne, lange, nun zerzauste Haar. Plötzlich wurde Judith von einem Kälteschauer gepackt. Dieser brachte ihr die Erinnerung an die Wasserschlacht im Bach zurück. Sie wusste plötzlich, dass da mit ihr eben etwas sehr Schlimmes passiert war, etwas, das sie niemandem erzählen durfte. Ihr war, als wäre sie jetzt von aller Welt verlassen, als würde man ihr nur noch Verachtung zollen. Lautlos ging das gepeinigte Kind aus dem Zimmer, raus auf den Hof. Nur weg, weit weg von diesem Bruder, auf den sie mit seinem „Liebesspiel" so schrecklich hereingefallen war. Sie schämte sich vor sich selbst, suchte instinktiv einen dunklen, hässlichen und einsamen Platz. Dort brach ihr Kummer mit aller Macht heraus. Ein nicht aufhören wollendes Schluchzen übertönte ihre Sinne. Sie machte in ihrer Qual nicht mehr den Eindruck eines achtjährigen Mädchens, sondern schien um Jahre älter geworden. Voller Entsetzen hörte sie plötzlich das laute Rufen ihrer Mutter und gleich danach des Bruders Stimme. Es war bereits dunkel, sie hatte dies in ihrem Leid gar nicht wahrgenommen. Der Bruder äusserte sich so laut zur Mutter, dass Judith es nicht überhören konnte: "Ich habe sie schon mehrmals gerufen, doch auf mich hört sie ja nicht" Die Mutter schaute böse auf das zaghaft erscheinende Kind, empört fuhr sie es an:" Und den Ofen hast du auch vergessen. Nun müssen wir alle im Kalten sitzen! Dein Bruder hat diese Aufgaben vorher besses gemacht. Auf dich kann man sich nicht verlassen!" "Na, dann kann er es doch weiter machen"; war die einzige Verteidigung, die ihr über die Lippen kam. Doch so konnte man der Mutter nicht kommen. Voller Jähzorn stürzte sie sich auf das ins Haus eintretende Mädchen und ließ mit harten Schlägen ihre Wut heraus. Dabei schrie sie:" Einmal möchte man sich ein paar schöne Stunden machen, doch ihr gönnt einem gar nichts. Undankbare Göre!" Die Mutter schickte das Mädchen noch vor dem Eintreffen des Vaters ins Bett. „ Zu Essen bekommst du heute nichts, du hast es nicht verdient!" Judith hat sicher an diesem Tag ihre Kindheit und den Glauben an eine heile Welt verloren. Doch auch der Bruder war um eine Erfahrung reicher geworden. Man muss es nur klug genug anstellen, dann kann man JEDEN nach den eigenen Wünschen manipulieren. Ja, im Manipulieren zeigt er ein überragendes Talent. Judith war nun nicht mehr das kleine verschmuste Nesthäkchen, sondern immer öfter ein ungezogenes Kind. Dennoch wurden wie bisher auch auf Zeugnissen stets der Fleiß, die Disziplin, sowie der gute Einfluss, welche sie auf ihre Mitschüler ausübte, vermerkt.