http://www.hypermobilitaets-syndrom.de/index.php?modu…pub&tid=1&pid=4
Welche Krankheitszustände sind Folgen der hypermobilen Bindegewebsschwäche?
Aufgrund der Ausreifungsstörung der Gelenke und der ursächlichen Bindegewebsschwäche mit der
Störung der Kollagentextur kommt es also bei solchermaßen mit Hypermobilität belasteten
Menschen zu häufig schmerzhaften Störungen am Bewegungssystem (artikulär). Aber auch
extraartikulär an weiteren Anteilen des bindegewebigen Systems des menschlichen Organismus
kommen Defekte vor. Die Häufigkeit damit also krankhaft befallener Patienten innerhalb der
großen Hypermobilitätsgruppe liegt nach auswärtigen Statistiken über 20 %, aber
wahrscheinlich mit einer hohen Dunkelziffer noch höher. Man hat in Kollektiven
rheumatologisch erkrankter Patienten bei Frauen mit 3 % und bei Männern mit knapp 1 % mit
Beschwerden zu rechnen, die nicht als Folge einer Hypermobilität bzw. Bandlaxität erkannt
werden, also nicht dem Hypermobilitätssyndrom zugeordnet und somit diagnostisch und
therapeutisch fehlgedeutet werden.
Extraartikulär macht diese Bindegewebsschwäche geneigt zum Leistenbruch und anderen Hernien
(Brüche) und Prolapsen (z. B. Bandscheibenvorfall), zur Verletzlichkeit mit
Vernarbungsstörung und zu Varizen (Krampfadern) und Gefäßwandschwäche mit
Blutungsneigung sowie zu Frakturen; weiterhin zu "Weichteilrheuma" (besonders Fibromyalgie),
zu Wirbelsäulenschäden mit Rückenschmerze sowie zu dermatologischen, gynäkologischen,
augenärztlichen und seltener zur neurologischen und psychiatrischen Auffälligkeiten.
Dabei muss also zunächst beachtet werden, dass die Hypermobilität im Jugend- und im
Erwachsenenalter keine Harmlosigkeit darstellt, wie uns die meisten Kurzberichte in
deutscher Sprache, die Prognose verniedlichend, darstellen wollen. Vielmehr handelt es sich
bei der meistens familiären Hypermobilität prinzipiell um einen der Beachtung pflichtigen
"Vorzustand" (Gschwend) des zunächst sog. "benignen Hypermobilitätssyndroms" (Grahame), der
also ein aktuell oder prognostisch beschwerdeträchtiges und weitgestreutes
Krankheitspotential darstellt.
Am Gelenksystem selbst kommt es aufgrund der Vulnerabilität (Verletzbarkeit) der
ungeschützt beweglichen Gelenke, meistens an Fingern und Knien, zu Reizzuständen im Gelenk
selbst und in seiner Umgebung. Dies äußert sich häufig in Entzündungen der Gelenkinnenhaut,
die besonders in der Kinder-Rheumatologie als "episodische Synovitiden" unklarer Herkunft
diagnostiziert werden, und zwar nur dann, wenn die zugrundeliegende Hypermobilität nicht
beachtet wird. Weiterhin kann im Gelenk dann im Erwachsenenalter der durch falsche
Kollagentypen-Textur geschwächte Knorpel frühzeitig degenerieren, wodurch zunächst relativ
früh und häufig am Kniegelenk das Beschwerdebild der "Chrondropathia patellae" entsteht,
nicht selten verbunden mit der "habituellen Luxation" der Kniescheibe. Dann kommt es zur
"prämaturen (vorzeitigen) Arthrose", die u. U. ungewöhnliche, schwergradige Beschwerden
bereitet. Es muss gelernt werden, dass jede Arthrose insbesondere der Kniegelenke, die vor
dem 6. Lebensjahrzehnt zu Beschwerden und aufgrund des destruierenden (zerstörenden)
Knorpelschadens ("chondrodestruktive Arthrose") zu Operation und Endoprothese zwingt, ihre
Ursache in der konstitutionellen Gewebsschwäche des Hypermobilitätssyndroms haben kann.
Damit gehören diese frühzeitig degenerativ erkrankten Gelenke zur Gruppe der "primären
Arthrosen", von denen bislang die Ursache unbekannt ist und die relativ häufig
zugrundeliegende Hypermobilität unbekannt blieb.
Am bindegewebigen Halteapparat des Gelenks mit Bändern und Sehnen kommt es beim
Hypermobilitätssyndrom häufig zu den Schmerzzuständen, die früher Weichteilrheumatismus
genannt wurden, von denen wir aber erkannt haben, dass sie innerhalb dieser Krankheitsgruppe
überwiegend der Fibromyalgie zugehören. Wir haben damit eine Gruppe angesprochen, die
wir den "hypermobilen Typ der Fibromyalgie" genannt haben, der damit auch einen
therapeutisch besonders wichtigen Platz in der Physiotherapie erhält. Dabei spielt die sog.
Sensomotorik eine interessante Rolle; d. h. die Fähigkeit des Menschen, seine Gestalt und
deren Bewegung über das Selbstgefühl - die Propriozeption - zu erleben, zu orientieren und
zu dirigieren ist gestört. Ein hypermobiles Gelenk kann seine propriozeptive
Funktionsfähigkeit teilweise, z. B. bis zur "Schusseligkeit" einbüßen; übrigens auch die
Wirksamkeit einer Lokalanästhesie.
Weiterhin kann sich am Gelenksystem die Lockerung des artikulären Haltesystems durch
"Ausrenkungen" bemerkbar machen, die als Subluxationen oder Luxationen bezeichnet
werden. Sie gehören an den Fuß-, Knie-, seltener Hüft- und Schultergelenken zu den
sogenannten "habituellen Luxationen", die immer wieder und oft bereits in der Jugend
vorkommen, aber in ihrem diagnostischen Zusammenhang nicht erkannt werden. Die habituelle
Luxation der Kniescheibe im Jugendalter, verbunden mit dem retropatellaren Knorpelschaden
(Chrondropathia patellae) ist ein Warnsymptom im Rahmen dieses Syndroms. Aber auch die
angeborene Hüftgelenksluxation (kongenitale Hüftdysplasie) gehört in diesen Zusammenhang.
Fortsetzung folgt!