Dr. med.R. Paul st. Amand: Meine Theorie über die Ursache der Fibromyalgie
Welches grundsätzliche Stoffwechselproblem ist nun für alle oben aufgelisteten Symptome der Fibromyalgie verantwortlich? Basierend auf unserem heutigen Wissen nehme ich an, dass Fibromyalgie durch Retension ( Unfähigkeit zur Ausscheidung ) einer biochemischen Substanz in den Zellen, d. h. einer Stoffwechselstörung, verursacht wird. Diese Stoffwechselstörung führt zu der Unfähigkeit, Energie zu produzieren. Die bereits nach der Geburt beginnende Retension schreitet langsam zu minimalen Ansammlungen voran, bis der Punkt erreicht ist, wo die Menge groß genug ist, um den normalen Stoffwechsel ernsthaft zu stören. Im Laufe der Zeit führt dieser Anhäufungsvorgang in immer mehr Zellen zu einem Energiedefizit, der zuerst in bestimmten Systemen, dann aber schließlich im ganzen Körper auftritt. Genau an dieser Stelle macht sich die Krankheit bemerkbar. Unser Körper benötigt Energie nicht nur zum Bewegen, zum Rennen, zum Sport treiben, zum Sprechen, sondern auch für alle anderen Körperfunktionen wie Haarwuchs, Atmung, Verdauung oder zur Bekämpfung von Krankheiten und besonders zur Versorgung unseres Gehirns. Die Zellen benutzen einen Energiestrom, bekannt unter dem biochemischen Begriff ATP ( Adenosintriphosphat ), um Stoffwechselfunktionen und lebensnotwendige Aufgaben auszuführen. Energie wird in unseren Zellen durch sehr komplizierte biochemische Vorgänge zur Genüge produziert. Wir können heute einige der wichtigsten Substanzen identifizieren, die in der Energieproduktion eine wesentliche Rolle spielen. Eine dieser Substanzen ist wahrscheinlich der Bösewicht, der Fibromyalgie auslöst. Unsere Beobachtungen wiesen auf eine Zellfunktionsstörung hin, die durch einen Phosphatüberschuss verursacht wird. Um die Funktionsstörung in den Zellen der Fibromyalgiepatienten zu verstehen, müssen wir zunächst die Energieproduktion in gesunden Individuen betrachten. In normal funktionierenden Zellen wird die benötigte Konzentration von Phosphat und anderen Substanzen, die für die Energiebildung von wesentlicher Bedeutung sind, besonders sorgfältig beibehalten. Zellen verwenden Phosphat, um in ihren Kraftwerken, den Mitochondrien, Energie zu erzeugen. In allen Körperzellen gibt es Mitochondrien, aber in den Gehirn-und Muskelzellen kommen sie besonders häufig vor. Sie sind vollständige kleine Energiekraftwerke, die circa 80 % oder mehr unserer Nahrung in einen Energiestrom oder ATP umwandeln. ( Sie wissen ja schon, dass ATP Adenosintriphosphat ist - drei Phosphate hängen an einem einzigen Adenosinmolekül.) Wenn eine Zelle eine wesentliche Funktion für den Körper ausüben muss, verbraucht sie eines dieser hochwertigen Energiephosphate, indem sie es dem Adenosin entreißt. Dieser biochemische Ablauf liefert ihr fast die gesamte benötigte Energie. Bei diesem und den folgenden Mechanismen werden Elektronen freigesetzt, die auf eine fast magische Weise zu dem richtigen Ort geführt werden. Dort verrichten sie die richtige Arbeit genau zum richtigen Zeitpunkt, als ob man ein Stromkabel in die Steckdose steckt. Enzymelektronen fließen durch die Zellen und aktivieren Enzyme, so wie der elektrische Strom Geräte zum Laufen bringt. Im gesunden Körper haben Zellen einen fast unbeschränkten ATP-Vorrat. Innerhalb einer tausendstel Sekunde können Zellen neue Energie aus den Reserven herstellen. Wie kommt es dann zu einem Energiemangel bei Fibromyalgie? Durch eine im Jahre 1989 durchgeführt Studie , bei der das ATP-Niveau von Fibromyalgikern gemessen wurde, bekamen wir die Möglichkeit, einige Unterschiede herauszufinden. Zwei schwedische Ärzte, Dr. Bengtsson und Dr. Henriksson, entdeckten bei Muskelbiobsien von Fibromyalgie-Patienten, dass deren ATP-Niveau um 20 % niedriger war. Sie untersuchten Teile des schmerzenden und empfindlichen Trapezmuskels, der sich an der Oberseite der Schulter befindet. In den Proben des schmerzenden Gewebes fanden sie in den Zellen und ihren Reserven ein viel niedrigeres ATP-Niveau. Die Reserven geben normalerweise neues Phosphat ab, um das ATP-Niveau sofort, nachdem es verbraucht ist, wiederherzustellen. Gesundes Gewebe, das auch histologisch untersucht wurde, wies keine solchen ATP-Mängel auf. Später wurde in einer anderen Studie ermittelt, dass das ATP-Niveau in den Blutzellen von Fibromyalgikern auch niedriger ist. Diese Studien, in Verbindung mit fachspezifischeren Untersuchungen ( siehe technischer Anhang ) unterstützen unsere Theorie der Phosphat-Retension als Ursache der Fibromyalgie. Wenn diese Studien gültig sind, wovon ich überzeugt bin, kommt die Frage auf: Was könnte möglicherweise ein niedriges ATP-Niveau in den Zellen verursachen? Normale ATP-Werte sind für alle Lebensfunktionen notwendig, und unser Körper ist großartig darauf eingestellt, eine ATP-Erschöpfung zu vermeiden. Offensichtlich betritt irgendetwas die Energiekraftwerke und verursacht eine Generatorstörung - indem es die chemischen Reaktionen stört, die normalerweise reichlich ATP herstellen. In der Physiologie und in der Biochemie ist es weithin bekannt, dass ein Überschuss an Phosphat im inneren Teil der Mitochondrien ( bekannt als Matrix ) diese Kraftwerke verlangsamt und die Bildung von ATP blockert. Denn anorganisches Phosphat kann nicht in eine hochwertige Energiesubstanz umgewandelt werden, es sei denn, es hängt sich an ein Adenosin-Molekül. Eine Blockade in der ATP-Bildung bedeutet, dass nicht genügend hochwertiges Energiephosphat erhältlich ist, um es zu den aktiven Zellen zu tranportieren. Hochaktive Zellen sind als Erste und am Schlimmsten von diesem Mangel betroffen. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Gehirn - und Muskelzellen vom gesamten Gewebe am stärksten betroffen sind. Zellen können nur funktionieren, wenn ihre Energiespeicher aufgefüllt sind. Ist dies für einen Fibromyalgiker neu? Aus diesem Grund ziehe ich den Namen Energiemangel-Syndrom der Bezeichnung Fibromyalgie vor - denn er beschreibt sowohl die offensichtliche Erschöpfung des Patienten als auch die versteckte biochemische Fehlleistung. Phosphat ist jedoch nicht der einzige Missetäter. Es kann sich nicht wahllos in Zellen anhäufen, ohne bleibende Schäden zu verursachen. Da jedes Phosphat -Ion zwei negative Ladungen besitzt, muss es durch zwei positive Ladungen im Zellinneren ausgeglichen werden...............demnächst geht es weiter.